Gebrauchstauglichkeit im rechtlichen Kontext
Usability ist nicht nur ein Qualitätsmerkmal – sie ist zunehmend auch rechtlich relevant. Insbesondere dann, wenn Barrierefreiheit, Produkthaftung oder Normenkonformität gefordert sind.
Definition nach ISO 9241-11
Gebrauchstauglichkeit bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext effektiv, effizient und zufriedenstellend genutzt werden kann.
Warum Usability rechtlich zählt
Usability ist kein rein gestalterisches Thema. Sie beeinflusst direkt:
- die Rechtssicherheit digitaler Produkte,
- die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen,
- und das Haftungsrisiko im Schadensfall.
Ein fehleranfälliges Formular, das Nutzende in die Irre führt, kann etwa gegen Informationspflichten verstoßen. Oder eine unzugängliche App kann barrierefreie Standards verletzen – mit rechtlichen Konsequenzen für öffentliche wie private Anbieter.
Relevante Regelwerke und Gesetze
👩⚖️ Barrierefreie IT
Digitale Barrierefreiheit ist gesetzlich verpflichtend für viele Angebote. Grundlage bilden:
- BITV 2.0 (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) – verbindlich für deutsche Behörden
- EN 301 549 – europäische Norm für barrierefreie Software und Hardware
- European Accessibility Act – ab 2025 verbindlich für kommerzielle Anbieter (z. B. E-Commerce, Bankportale)
Ein barrierefreies System muss z. B. mit der Tastatur bedienbar, sprachlich klar verständlich und screenreader-kompatibel sein.
📚 Normen mit Rechtsbezug
- ISO 9241-210: Verlangt einen nutzerzentrierten Entwicklungsprozess
- ISO 9241-171: Regelt barrierefreie Softwareergonomie
- Produktspezifische Normen (z. B. Medizintechnik, Industrieanlagen) integrieren zunehmend UX-Anforderungen
Ein Unternehmen, das Normvorgaben ignoriert, riskiert im Schadensfall Haftung – etwa, wenn ein Bedienfehler durch mangelnde Gebrauchstauglichkeit verursacht wurde.
Praxisbeispiel: Barrierefreie Websites
Ein Landesportal verwendet Icons ohne Alternativtexte und unstrukturierte PDFs. Eine blinde Nutzerin kann wesentliche Informationen nicht erfassen. Dies stellt einen Verstoß gegen BITV 2.0 dar. Nach Beschwerde durch die Schlichtungsstelle droht eine Anpassungsverfügung – ggf. mit Sanktionen.
Barrierefreiheit ist also kein „Nice-to-have“, sondern eine gesetzliche Verpflichtung, deren Einhaltung nachgewiesen werden muss – z. B. durch Evaluationen, Prüfberichte und nachvollziehbare UX-Dokumentation.
Fazit
Usability steht heute an der Schnittstelle von Design, Technik und Recht. Wer sie normgerecht und nutzerzentriert umsetzt, profitiert mehrfach: durch bessere User Experience, geringere rechtliche Risiken und klare Nachweise bei Prüfungen oder Ausschreibungen.
Merksatz
Usability schützt nicht nur Nutzer:innen – sondern auch Anbieter.
Zuletzt geändert: 17. Juni 2025