Was ist ISO-konforme Usability?
Wer Usability professionell umsetzen will, orientiert sich an den Vorgaben der ISO 9241. Doch was bedeutet „ISO-konform“ konkret – und warum ist das entscheidend für die Qualität digitaler Produkte?
Definition
Relevante Normteile
Die drei zentralen Pfeiler der ISO-konformen Usability sind:
- ISO 9241-11: liefert die Definition und Bewertungskriterien von Usability
- ISO 9241-110: beschreibt Prinzipien für benutzerfreundliche Dialoggestaltung
- ISO 9241-210: stellt den benutzerzentrierten Entwicklungsprozess in den Mittelpunkt
Diese Normen sind international anerkannt und werden in Forschung, Lehre, Entwicklung, Testing und Audits eingesetzt.
Was fordert ISO 9241-11?
Ein Produkt gilt laut Norm nur dann als gebrauchstauglich, wenn es in einem konkret beschriebenen Nutzungskontext drei Kriterien erfüllt:
- Effektivität: Wird das Nutzerziel erreicht?
Beispiel: Ein Nutzer kann erfolgreich eine Steuererklärung einreichen. - Effizienz: Wie viel Aufwand ist dafür nötig?
Beispiel: Der Prozess dauert nur wenige Minuten und ist verständlich aufgebaut. - Zufriedenheit: Wie angenehm wird der Prozess subjektiv erlebt?
Beispiel: Nutzer:innen berichten von Klarheit, Vertrauen und Kontrolle.
Kontext ist entscheidend
Ein System kann in einem Nutzungskontext hervorragend abschneiden – und in einem anderen unbrauchbar sein. Usability ist nie absolut, sondern immer situationsabhängig.
Was bedeutet Gestaltung nach ISO 9241-110?
Die Norm beschreibt sieben Gestaltungsprinzipien, die als Richtschnur für nutzergerechte Interfaces dienen – darunter:
- Erwartungskonformität: Nutzer:innen finden, was sie erwarten (z. B. „Speichern“ oben rechts).
- Steuerbarkeit: Nutzer:innen behalten Kontrolle über Abläufe (z. B. „Zurück“-Funktion).
- Fehlertoleranz: Fehler dürfen nicht zum Frust führen, sondern müssen auffindbar und behebbar sein.
- Lernförderlichkeit: Auch ungeübte Nutzer:innen können das System nach kurzer Zeit verstehen.
Diese Prinzipien werden in heuristischen Evaluationen, Styleguides und Designsystemen konkretisiert.
Wie sieht der Prozess laut ISO 9241-210 aus?
Der Normteil 210 fordert einen iterativen, nutzerzentrierten Gestaltungsprozess. Das bedeutet:
- Den Nutzungskontext verstehen – durch Interviews, Beobachtungen oder Personas
- Anforderungen aus Nutzersicht ableiten – z. B. als Szenarien oder Aufgabenbeschreibungen
- Gestaltungslösungen entwickeln – idealerweise kollaborativ
- Prototypen mit Nutzer:innen testen – durch Usability-Tests, Walkthroughs etc.
- Ergebnisse in Iterationen einarbeiten – bis die Ziele erreicht sind
Praxisbeispiel
Ein Team entwickelt eine Onboarding-Funktion für eine Banking-App. Nach kontextuellen Interviews erstellen sie Prototypen, die in mehreren Testrunden mit realen Nutzer:innen validiert und iterativ verbessert werden.
Warum ist ISO-Konformität wichtig?
- Sie schafft Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei UX-Entscheidungen
- Sie erlaubt es, Usability standardisiert zu messen und zu dokumentieren
- Sie bildet die Grundlage für rechtliche Nachweise bei Barrierefreiheit oder Produkthaftung
- Sie fördert eine gemeinsame Sprache zwischen UX, Entwicklung, QA und Management
Fazit
ISO-konforme Usability ist mehr als gutes Design: Sie ist eine methodisch fundierte, kontextabhängige und evaluierbare Qualität digitaler Systeme.
Für UX-Professionals ist sie ein Maßstab. Für Teams ein Prozess. Für Organisationen ein Reifegradindikator.
Merksatz
ISO-konforme Usability ist kein Versprechen – sie ist ein nachgewiesenes Qualitätsmerkmal.
Zuletzt geändert: 17. Juni 2025