Fehlermodelle & Nutzerfehler
Fehler gehören zur Interaktion mit digitalen Systemen – aber sie sind kein Zeichen von Dummheit, sondern systematisch erklärbar. UX-Design muss sie verstehen und abfangen.
Definition
Ein Nutzerfehler ist eine unbeabsichtigte Handlung oder ein falsches Ergebnis, das beim Umgang mit einem System entsteht – unabhängig davon, ob das System „korrekt“ funktioniert.
Norman: Slips vs. Mistakes
Donald A. Norman unterscheidet zwei grundlegende Arten von Fehlern:
🟢 Slips – „Ausrutscher“
Fehler beim Ausführen einer eigentlich richtigen Absicht
Beispiel: falscher Button geklickt, obwohl das Ziel klar war
🔴 Mistakes – „Fehlentscheidungen“
Fehler aufgrund einer falschen Absicht oder Annahme
Beispiel: Nutzer:in denkt, „Zurück“ bedeutet „Abbrechen“ – ist aber nicht so
Gestaltungsimplikation
Slips entstehen oft durch schlechte Affordanzen oder unklare Rückmeldung. Mistakes durch falsche mentale Modelle oder irreführende Navigation.
Reason: Menschliches Fehlverhalten als Systemkomponente
James Reason unterscheidet in seinem Fehlermodell:
-
Wissensbasierte Fehler (Knowledge-based mistakes)
bei unbekannten Situationen → falsche Interpretation -
Regelbasierte Fehler (Rule-based mistakes)
bekannte Regel falsch angewendet -
Fertigkeitsbasierte Fehler (Skill-based slips)
gewohnte Handlung automatisiert, aber fehlerhaft (z. B. Vertippen)
Gestaltung gegen Fehler
Prinzip | Umsetzung |
---|---|
Fehlertoleranz | Undo, Wiederherstellen, Rückfragen vor Löschaktionen |
Feedback & Statusanzeigen | Was wurde getan? Was passiert gerade? |
Fehlervermeidung statt Fehlerbehandlung | Buttons deaktivieren statt später Warnung zeigen |
Konsistenz | Wiedererkennbare Symbole, Navigation, Layouts |
Explizite Beschriftung | „Abbrechen“ statt „Zurück“ |
Praxisbeispiel
Ein E-Mail-System erlaubt das Löschen ohne Rückfrage.
→ Nutzer löscht versehentlich wichtige Nachricht.
Besser: „Papierkorb“ mit Rückgängig-Funktion und Rückfrage bei sensiblen Inhalten.
Fazit
Nutzerfehler entstehen nicht, weil Menschen unkonzentriert oder inkompetent sind – sondern weil Systeme komplex, uneindeutig oder fehleranfällig gestaltet sind.
UX-Design sollte auf Fehlerfreundlichkeit statt Fehlerfreiheit setzen.
Merksatz
Fehler sind systemisch – nicht individuell. Gutes Design macht Fehler unwahrscheinlich und rückgängig.