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Screenrecording & Heatmaps

Screenrecording und Heatmaps zählen zu den wichtigsten visuellen Analysetools in der UX-Forschung. Sie liefern retrospektive, quantitative und kontextsensitive Daten zur tatsächlichen Nutzung digitaler Systeme – etwa von Websites, mobilen Apps oder interaktiven Webanwendungen. Beide Methoden helfen dabei, Nutzerverhalten sichtbar zu machen und dadurch fundierte Optimierungsentscheidungen zu treffen. Besonders im Live-Betrieb, also unter realen Bedingungen und mit echten Nutzer:innen, entfalten sie ihre Stärke.


Screenrecording: Blick durchs digitale Schlüsselloch

Beim Screenrecording wird die Interaktion von Nutzer:innen mit einem Interface aufgezeichnet – meist inklusive Mausbewegungen, Klicks, Scrolling und Tastatureingaben. Die Methode eignet sich ideal zur nachträglichen Analyse realer Nutzungssitzungen, etwa zur Identifikation von Friktionen, häufigen Navigationsfehlern oder wiederholtem Zögern.

Ein Beispiel: Ein Team beobachtet, dass viele Nutzer:innen auf einer Anmeldeseite mehrfach zwischen Passwortfeld und Hilfelink wechseln. Die Videoanalyse zeigt: Der Hinweis zur Passwortanforderung ist zwar vorhanden, aber visuell unauffällig platziert. Diese Erkenntnis führt zu einer gestalterischen Anpassung – der Hinweis wird direkt neben dem Eingabefeld angezeigt.

Analyse von Screen-Recording
UX-Team analysiert ein Screenrecording: Wiederholte Nutzeraktionen geben Hinweise auf gestalterische Schwächen im Interface.

Screenrecordings sind besonders hilfreich, wenn es darum geht, konkrete Schwachstellen in User Flows zu erkennen, z. B. in mehrstufigen Prozessen wie Checkout-Strecken oder Registrierungsformularen. Auch gerätespezifische Unterschiede – etwa zwischen Desktop- und Mobile-Nutzung – lassen sich vergleichend auswerten.

Tools: Hotjar, Microsoft Clarity (kostenlos), Smartlook, FullStory, Mouseflow
Hinweis: Bei sensiblen Inhalten sind DSGVO-konforme Lösungen wie Piwik PRO oder On-Premise-Server wichtig.


Heatmaps: Wo geklickt, bewegt und gescrollt wird

Heatmaps visualisieren aggregiertes Nutzerverhalten auf einer Seite – typischerweise farbcodiert: Rot steht für häufige Aktionen (Hotspots), Blau für seltene (Cold Spots). Es gibt unterschiedliche Arten von Heatmaps:

Ein praktisches Beispiel: Eine Scroll-Heatmap zeigt, dass nur 30 % der Besucher:innen den unteren Bereich einer Landingpage sehen – obwohl dort ein zentraler Call-to-Action („Jetzt Kontakt aufnehmen“) platziert ist. Die Schlussfolgerung: Die Botschaft wird nach oben verlagert, die Conversion Rate steigt um 18 %.

Move Heatmap
Move-Heatmap-Analyse: Farbcodierte Klick- und Scrollverläufe zeigen, welche Bereiche einer Seite Aufmerksamkeit erhalten – und welche ignoriert werden.

Heatmaps sind besonders nützlich bei Fragen wie: „Werden wichtige Inhalte überhaupt wahrgenommen?“ oder „Sind Navigationselemente am richtigen Ort platziert?“ Sie eignen sich auch hervorragend für den Vorher-Nachher-Vergleich bei Redesigns oder A/B-Tests.


Grenzen und Einordnung

Beide Methoden liefern was passiert, aber nicht warum es passiert. Sie zeigen keine Motive, Emotionen oder mentale Modelle der Nutzer:innen. Ein Click auf einen Button kann Unsicherheit, Neugier oder bloßes Ausprobieren bedeuten – ohne ergänzende qualitative Verfahren bleibt die Interpretation spekulativ.

Auch gilt: Heatmaps sind kontextspezifisch – sie müssen getrennt für unterschiedliche Seiten und Gerätetypen analysiert werden. Eine mobile Heatmap unterscheidet sich deutlich von ihrer Desktop-Version. Zudem sind datenschutzrechtliche Aspekte zwingend zu beachten: Nutzungsaufzeichnungen dürfen nur mit expliziter Einwilligung erfolgen.


Best Practices aus der Praxis


Fazit

Screenrecordings und Heatmaps bieten UX-Teams einen unmittelbaren, visuellen Zugang zur realen Nutzungserfahrung. Sie zeigen, was Nutzer:innen tatsächlich tun – und wo sie Schwierigkeiten haben. Richtig eingesetzt, liefern sie belastbare Hinweise auf Optimierungspotenziale, die sich gut an Stakeholder kommunizieren lassen. Ihr größter Wert liegt in der Kombination: mit qualitativen Insights, mit quantitativen Metriken – und mit dem richtigen Gespür für Designentscheidungen.

Visuelle Erhebungsmethoden: Heatmaps, Screenshots und Screenrecording

Diese Studien beleuchten die Anwendung visueller Analyseverfahren wie Heatmaps, Eye-Tracking, Screenshots und Screenrecording zur Erfassung und Interpretation von Nutzerverhalten in der UX-Forschung.

Usage and Application of Heatmap Visualizations on Usability User Testing

Umfassender Literaturüberblick zu Heatmaps. Betont das Fehlen eines Standardprozesses zur Kombination von Heatmap-Auswertung mit qualitativen Usability-Daten.

Dávila, F., Paz, F. A., & Moquillaza, A. (2023). Usage and application of heatmap visualizations on usability user testing: A systematic literature review. In Lecture Notes in Computer Science. https://doi.org/10.1007/978-3-031-35702-2_1

DOI

UX Heatmaps: Mapping User Experience on Visual Interfaces

Führt ein Tool ein, das Blickverhalten mit emotionalen Zuständen trianguliert. Ermöglicht UX-Heatmaps zur Analyse kognitiver Belastung in UI-Bereichen.

Georges, V., Courtemanche, F., Sénécal, S., Baccino, T., Fredette, M., & Léger, P.-M. (2016). UX heatmaps: Mapping user experience on visual interfaces. In CHI Proceedings. https://doi.org/10.1145/2858036.2858271

DOI

Evaluation of Strong and Weak Signifiers in a Web Interface Using Eye-Tracking Heatmaps and Machine Learning

Nutzt Heatmaps + Machine Learning zur Bewertung von Interface-Elementen. Zeigt, wie automatisierte Heatmap-Analyse zur Usability-Bewertung beitragen kann.

Koonsanit, K., Tsunajima, T., & Nishiuchi, N. (2021). Evaluation of strong and weak signifiers in a web interface using eye-tracking heatmaps and machine learning. In CISIM Proceedings. https://doi.org/10.1007/978-3-030-84340-3_16

DOI

Contextual Cropping, Collateral Data: Screenshot Methods for UX Research

Beschreibt Methode des "Contextual Cropping" – selektive Screenshots mit Metadaten zur Kontextanalyse in UX-Studien.

Reimer, C. (2018). Contextual cropping, collateral data: Screenshot methods for UX research. Communication Design Quarterly, 6(3). https://doi.org/10.1145/3282665.3282673

DOI

Process Research Screen Capture

Betrachtet Screenrecording als multimodales Forschungsinstrument – geeignet für qualitative, quantitative oder Mixed-Methods-Ansätze in UX.

Mroz, A. P. (2025). Process research screen capture. In The Encyclopedia of Applied Linguistics. https://doi.org/10.1002/9781405198431.wbeal1450.pub2

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