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Usability-Metriken verständlich erklärt

Wie gut lässt sich ein digitales System bedienen? Diese scheinbar einfache Frage ist in der UX-Forschung zentral – und zugleich komplex. Um Usability nicht nur gefühlt, sondern objektiv messbar zu machen, kommen standardisierte Metriken zum Einsatz. Sie erfassen, wie effektiv, effizient und zufriedenstellend Nutzer:innen ein System bedienen können. Diese drei Dimensionen – Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit – sind in der Norm ISO 9241-11 verankert und bilden das Fundament vieler UX-Evaluationsstrategien.

Usability Dimensionen
Die drei Dimensionen guter Usability: Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit – visualisiert anhand typischer UX-Metriken.

1. Effektivität: Erreichen Nutzer:innen ihre Ziele?

Ein zentrales Kriterium guter Usability ist die Frage: Kommen Nutzer:innen ans Ziel? Die sogenannte Task Success Rate (Aufgabenlösungsrate) gibt hier Aufschluss. Sie misst, wie viele Personen eine definierte Aufgabe erfolgreich abschließen – zum Beispiel eine Bestellung tätigen oder ein Formular absenden.

Beispiel aus der Praxis:
Ein Online-Shop möchte wissen, ob sein Checkout-Prozess funktioniert. Bei einem Usability-Test gelingt es 12 von 15 Personen, den Kaufprozess fehlerfrei abzuschließen. Die Task Success Rate beträgt somit 80 % – ein solider, aber verbesserungsfähiger Wert.

Ergänzend hilft die Fehlerrate, also wie oft es zu Bedienfehlern kommt – etwa doppelte Klicks, falsche Eingaben oder Orientierungslosigkeit. Auch Teil-Erfolge (z. B. Aufgabe wurde abgeschlossen, aber nicht optimal) liefern differenzierte Einblicke.


2. Effizienz: Wie viel Aufwand ist nötig?

Usability heißt auch: Ziele sollen mit möglichst geringem Aufwand erreichbar sein. Die Time-on-Task (Bearbeitungszeit) misst, wie lange Nutzer:innen für eine Aufgabe brauchen. Sie wird entweder gestoppt (bei moderierten Tests) oder automatisiert über Logdaten und Tools erfasst.

Beispiel:
Eine Versicherung überarbeitet ihre Schadensmeldung online. Vor dem Redesign dauerte der Vorgang im Schnitt 6:40 Minuten. Nach Einführung klarer Formulierungen und einer Fortschrittsanzeige sinkt die durchschnittliche Bearbeitungszeit auf 3:45 Minuten – eine Zeitersparnis von 44 %.

Auch die Zahl notwendiger Klicks oder Navigationsschritte (Interaktionskosten) sowie doppelte Eingaben (Wiederholaufwand) gelten als Effizienzindikatoren.

Wichtig: Weniger Zeit ist nicht automatisch besser – manche Aufgaben benötigen zurecht Sorgfalt. Daher ist die Kombination mit Erfolgsrate und qualitativer Beobachtung entscheidend.


3. Zufriedenheit: Wie empfinden Nutzer:innen die Nutzung?

Neben Zahlen zählt die subjektive Perspektive: Wie angenehm, klar oder frustrierend empfinden Menschen die Nutzung? Für diese Dimension der Zufriedenheit kommen standardisierte Fragebögen zum Einsatz.

Am häufigsten genutzt wird die System Usability Scale (SUS). Sie besteht aus zehn Aussagen, die auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet werden – etwa „Ich fand das System einfach zu bedienen.“ Der daraus berechnete SUS-Score reicht von 0 bis 100. Ein Wert über 68 gilt meist als überdurchschnittlich.

Beispiel:
Nach einem Test mit einer Gesundheits-App erreicht die Anwendung einen SUS-Wert von 74. Ergänzend zeigt der Net Promoter Score (NPS), dass 60 % der Nutzer:innen die App weiterempfehlen würden – ein starker Hinweis auf eine positive Gesamterfahrung.

Weitere Instrumente wie der User Experience Questionnaire (UEQ) oder AttrakDiff ermöglichen differenziertere Aussagen – etwa zur Klarheit, Attraktivität oder Originalität des Designs.


Ergänzende Metriken: Was sonst noch zählt

Praxisbeispiel:
Ein Software-Anbieter beobachtet, dass nach Einführung eines neuen Dashboards die Zahl der Support-Tickets zur Navigation sprunghaft ansteigt. Obwohl die Task Success Rate formal unverändert bleibt, zeigt sich hier ein klarer Optimierungsbedarf aus Nutzersicht.


Best Practices im Umgang mit Usability-Metriken


Fazit

Usability-Metriken sind weit mehr als Zahlen – sie machen Nutzungserfahrungen greifbar. Richtig erhoben und interpretiert, ermöglichen sie fundierte Entscheidungen für UX-Optimierung, zeigen Fortschritte auf und helfen, Designqualität gegenüber Stakeholdern zu belegen. Entscheidend ist dabei ein kontextsensibler, reflektierter Einsatz – und die Ergänzung um qualitative Einsichten.

UX-Metriken und quantitative Erhebungsinstrumente

Diese Beiträge befassen sich mit etablierten und neuen quantitativen Methoden zur Erfassung der User Experience. Im Fokus stehen standardisierte Skalen, Vergleichsmetriken und strategische Werkzeuge für die UX-Evaluation.

The Usability Metric for User Experience (UMUX)

Einführung des kompakten UMUX-Fragebogens (4 Items), der ähnlich zuverlässig wie der SUS ist und auf ISO 9241-11 basiert.

Finstad, K. (2010). The usability metric for user experience. Interacting with Computers, 22(5), 323–327. https://doi.org/10.1016/j.intcom.2010.04.004

DOI

Measurement Practices in User Experience (UX) Research

Systematische Analyse von 153 CHI-Studien. Zeigt verbreitete UX-Skalen (SUS, UEQ, NASA-TLX) und kritisiert deren teils unsystematischen Einsatz.

Perrig, S., Aeschbach, L. F., Scharowski, N., von Felten, N., Opwis, K., & Brühlmann, F. (2024). Measurement practices in user experience (UX) research. Frontiers in Computer Science. https://doi.org/10.3389/fcomp.2024.1368860

DOI

Quantifying User Research

Lehrbuchkapitel mit detaillierter Erklärung von Metriken wie Task Success, Time-on-Task, Fehler und Zufriedenheit — ideal für Praktiker.

Sauro, J., & Lewis, J. R. (2012). Quantifying user research. In Quantifying the User Experience. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-384968-7.00002-3

DOI

The UX Metrics Table: A Missing Artifact

Vorschlag einer „UX Metrics Table“ als strategisches Artefakt zur Metrikenauswahl und Iterationssteuerung in UX-Projekten.

Wallach, D., Conrad, J., & Steimle, T. (2017). The UX metrics table: A missing artifact. In Design, User Experience, and Usability. https://doi.org/10.1007/978-3-319-58634-2_37

DOI

Supporting User-Perceived Usability Benchmarking

Entwicklung eines Reaktionskarten-basierten quantitativen Index für subjektive Usability-Wahrnehmung inkl. Vergleichstool.

Veral, R., & Macías, J. A. (2019). Supporting user-perceived usability benchmarking through a developed quantitative metric. International Journal of Human–Computer Studies. https://doi.org/10.1016/j.ijhcs.2018.09.012

DOI