Heuristik & Richtlinien
Heuristische Evaluationen helfen, Usability-Probleme systematisch und effizient zu erkennen – anhand bewährter Regeln und Prinzipien.
Definition
Eine Heuristik ist eine allgemeine Regel oder Daumenregel zur Bewertung der Gebrauchstauglichkeit. Sie ist keine feste Norm, sondern eine erfahrungsbasierte Leitlinie.
Nielsens 10 Usability-Heuristiken (1994)
Die bekannteste Sammlung stammt von Jakob Nielsen:
- Sichtbarkeit des Systemstatus
→ Das System informiert, was passiert - Übereinstimmung mit der realen Welt
→ Metaphern, Sprache, Konventionen - Benutzerkontrolle und Freiheit
→ Rückgängig-Funktionen, Abbrechen - Konsistenz und Standards
→ Gleiches Verhalten bei gleichem Element - Fehlervermeidung
→ Keine Fehlermeldung, wenn der Fehler vermieden werden kann - Wiedererkennung statt Erinnerung
→ Optionen sichtbar statt auswendig nötig - Flexibilität und Effizienz
→ Shortcuts, Anpassung für Expert:innen - Ästhetisches und minimalistisches Design
→ Keine überflüssigen Informationen - Hilfestellung bei Fehlern
→ Klare, verständliche Fehlermeldungen - Hilfe und Dokumentation
→ Hilfe sollte leicht auffindbar, aufgabenbezogen und konkret sein
Weitere Heuristiksysteme
🔹 Gerhardt-Powals’ Cognitive Engineering Principles
Eine kognitionspsychologische Alternative mit Fokus auf Informationsverarbeitung:
- Reduktion von Unsicherheit
- Kompatibilität mit mentalen Modellen
- Konsistentes Mapping
- Minimierung der Gedächtnisbelastung
- Förderung kognitiver Integration
🔹 BITV (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung)
Diese deutschen Richtlinien basieren auf WCAG und ergänzen heuristische Verfahren um rechtlich verbindliche Anforderungen:
- Wahrnehmbarkeit
- Bedienbarkeit
- Verständlichkeit
- Robustheit
Hinweis
Heuristiken sind kein Ersatz für Usability-Tests – aber eine effiziente Methode zur Früherkennung typischer Schwächen.
Anwendung in der Praxis
Vorgehen | Beschreibung |
---|---|
Expert Review | UX-Expert:innen bewerten ein Interface anhand der Heuristiken |
Mehrere Reviewer | Ideal: 3–5 Personen unabhängig voneinander |
Ergebnisse clustern | Wiederkehrende Probleme priorisieren |
Protokollieren | Problem, Heuristikverstoß, Schweregrad, Empfehlung |
Fazit
Heuristiken und Richtlinien sind unverzichtbare Werkzeuge im UX-Toolkit. Sie bieten eine schnelle, kosteneffiziente Möglichkeit, Schwachstellen in der Gestaltung zu identifizieren – besonders in frühen Entwicklungsphasen.
Merksatz
Heuristische Evaluation ersetzt kein Nutzerfeedback – aber sie ist der beste erste Schritt.